Eine kurze Geschichte der Anästhesie

Das Wort Anästhesie bedeutet in der Übersetzung aus dem Altgriechischen Empfindungslosigkeit. Diese wird in der Medizin zum Zweck einer operativen oder diagnostischen Maßnahme herbeigeführt. Selektiv die Schmerzempfindung mit morphinhaltigem Mohn zu beeinflussen, war bereits in der Antike zahlreichen Völkern bekannt. Wegen unbeherrschbarer schwerer Nebenwirkungen, war ein schmerzfreier chirurgischer Eingriff aber lange Zeit undenkbar. Joseph Priestley hat Lachgas bereits 1775 synthetisiert. Die analgetische Wirkung wurde aber erst knapp 25 Jahre später von Humphry Davy erkannt, welcher Lachgas für die Betäubung bei chirurgischen Operationen in einer Publikation 1800 vorschlug. Die Wirkung von Lachgas alleine ist allerdings zu gering um vollständige Schmerzfreiheit zu erzielen. Es hat noch einmal fast 20 Jahre gedauert bis Michael Faraday die hypnotische Wirkung von Diethylether 1818 beschrieben hat. Als Halluzinogene wurden Lachgas und Ether aber zunächst nur zur Belustigung des Publikums auf Jahrmärkten eingesetzt. Der Zahnarzt Horace Wells hat bei solch einer "Lachgasparty" zufällig die anästhetische ("Neben"-)wirkung von Lachgas erkannt und bei der Behandlung seiner Patienten eingesetzt. Als Wells 1845 seine Entdeckung am Boston General Hospital bekannt machen wollte, scheiterte sein "Experiment" bedauerlicherweise aufgrund einer noch falschen Dosierung bei einem übergewichtigen Alkoholiker, aber noch schlimmer: Sein Ruf in der Fachwelt war daraufhin ruiniert Einige Jahre zuvor, zwischen 1842 und 1843 hat er mit William T.G. Morton zusammen gearbeitet, welcher schließlich am 30.9.1846 Diethylether bei der Extraktion eines vereiterten Backenzahns erfolgreich eingesetzt hat. Wenige Tage später, am 16.10.1846 hat er am Massachusetts General Hospital bei einem kieferchirurgischen Eingriff eine Äthernarkose durchgeführt.

Am 28.12.1846 fand dann auch in London eine derartige Vorführung statt, der John Snow beiwohnte. Durch seine Untersuchungen zur Asphyxie [2] und ihrer Wirkursachen im Blutkreislauf bestens vorbereitet, machte sich Snow sogleich an die Untersuchung des neuen Narkoseverfahrens und entwickelte innerhalb von wenigen Wochen eine verbesserte Apparatur zur Verdampfung und Inhalation des Äthers. Seine daraufhin veröffentlichten Publikationen gelten heute als Gründungsdokumente der Anästhesiologie.
Ein Monat danach, genauer am 28.1.1847, hat auch bereits der österreichische Arzt Franz Schuh eine Beinamputation unter Äthernarkose im Wiener Allgemeinen Krankenhaus durchführt. Die Patienten haben während der Narkose selbständig geatmet, eine Beatmung war zu dieser Zeit noch Utopie.

Der Berliner Chirurg Curt Schimmelbusch beschrieb 1890 eine Gesichtsmaske zur Anwendung von Chloroform oder Äther in seinem Buch „Anleitung zur aseptischen Wundbehandlung":

Die Entwicklung der künstlichen Beatmung zeigte ebenfalls viele Irrwege bis zur Anwendung in der Medizin. Bereits in der Antike scheint es ein Wissen um Formen der Atemhilfe gegeben zu haben. Dieses Wissen ging jedoch während der Zeit des Mittelalters weitgehend verloren und wurde erst mit dem Beginn der Neuzeit wiederentdeckt. Auch setzten die mangelnden Kenntnisse über die menschliche Anatomie und Physiologie einer gezielten Weiterverfolgung und -entwicklung Grenzen. Dies lag nicht zuletzt an der Tatsache, dass Sektionen bis zum Ende des Mittelalters gesetzlich verboten waren.
Es war wieder John Snow der als Pionier ein "Beatmungsgerät" für Neugeborene zur Wiederbelebung entwickelt hat. Diese frühe Entwicklung hatte allerdings noch keinen Einfluss auf die Atmung während der Narkose.
Operationen mit Brustkorberöffnung, die zwangsläufig zu einem Kollaps der Lunge führen, konnten aber erst mit der Entwicklung der Unterdruckkammer 1904 [1] durch Ferdinand Sauerbruch durchgeführt werden. In einer abgeschlossenen Unterdruckkammer wurde der Patient so gelagert, dass sich der Kopf außerhalb und der übrige Körper innerhalb derselben befand. Im Innern dieser "pneumatischen OP-Kammer" wurde ein Unterdruck von ca. 8 mmHg erzeugt. Weiterhin hat der Patient unter Narkose spontan geatmet. Das Unterdruck-Prinzip wurde auch 1929 während einer Polioepidemie in der Medizintechnik als Eiserne Lunge angewendet. Dank dieser Stahlkolosse überlebten tausende Menschen die totbringende Seuche. Diese von Sauerbruch entwickelte Kammer war jedoch für den Operationsbetrieb zu umständlich.
Einer der führenden Herz- und Lungenchirurgen und Begründer der modernen Herz- und Lungenfunktionsdiagnostik war Ludolph Brauer. Er gilt auch als Entwickler der Überdrucknarkosebeatmung, welche er bereits 1905 propagiert hat. Allerdings hat erst die Einführung der endotrachealen Überdruckbeatmung die Anästhesiologie entscheidend weitergebracht. Im Jahre 1869 hat Friedrich Trendelenburg erstmals eine endotracheale Intubation über eine temporäre Tracheotomie am Menschen zur Narkoseführung durchgeführt und 1878 unternahm William Macewen die erste orotracheale Intubation. Der endotrachealen Überdruckbeatmung wurde aber erst ab 1905 der Weg durch Ludolph Brauer bereitet. Bis zur Entwicklung moderner Respiratoren verging noch etwas Zeit.

Weitgehend ohne Beatmungsmonitoring und daher auch in der Anwendung nicht ungefährlich, waren Respiratoren, wie etwa der Manleyventilator, der im Wiener Allgemeinen Krankenhaus noch bis 1993 im Einsatz war:

Franz Kuhn hat zwar bereits 1906 das Prinzip eines Kreissystems, welches zwangsläufig auch einen CO2-Absorber enthält, beschrieben. Das Narkotikum Chloroform zersetzte sich jedoch im Atemkalk. Erst 1924 erlangte das Atem-Kreissystem mit "moderneren" volatilen Anästhetika klinische Bedeutung:


Der Ruf nach mehr Komfort am Narkosearbeitsplatz führte zu Kreislauf-Narkoseapparaten, wie etwa 1952 zum Romulus:

Auch die Intubationstechnik wurde fortschrittlicher. Dieses Laryngoskop könnte auch heute noch im klinischen Einsatz sein:

Die Endotrachealtuben aus rotem Gummi:

haben jedoch ausgedient und wurden durch moderne Niederdruckcufftuben aus durchsichtigem Kunststoff ersetzt.

Literatur

[1] Sauerbruch, Über die Ausschaltung der schädlichen Wirkung des Pneumothorax bei intrathorakalen Operationen. Zentralbi. f. Chir. XXXI. Jahrg. Nr. 6. 1904
[2] Snow J. On asphyxia and on the resuscitation of stillborn children. Lond Med Gaz 1841;29:222-7.

Die Bilder: Manleyrespirator, Narkoseapparat Romulus, Schimmelbuschmaske, Endotrachealtubus, volatile Anästhetika, Laryngoskop stammen aus der ehemaligen Sammlung für Geschichte der Anästhesie und Intensivmedizin im Josephinum. Eines der technischen Highlights dieser Sammlung war das Narkosegerät für Äther nach Louis Ombredanne.


• Homepage