Während einer Notoperation sind im Jahr 2018 einer Zeugin Jehovas gegen Ihren Willen Bluttransfusionen verabreicht worden womit ihr vermutlich das Leben gerettet wurde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (application 15541/20) hat diese (medizinisch indizierte und demnach vollkommen korrekte aber eben gegen den Willen der Patientin verabreichte) Gabe von Blutkonserven verurteilt.
Der Frau müssen deshalb 12.000 Euro für diesen erlittenen Schaden und 14.000 Euro für die entstandenen Prozesskosten erstattet werden.
P.S.: Ein mit Blutkonserven gerettetes Menschenleben ist demnach ein Schaden im Sinne dieses Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. In meinen Augen ist diese Urteil eines der schwerwiegendsten Fehlurteile in der Geschichte der Menschheit.
Ich würde aus diesem Urteil nur folgenden einzig positiven Schluss ziehen: Die lebensrettende Gabe von Blutkonserven ist aus menschenrechtlicher Sicht für einen Zeugen Jehovas ein Schaden der etwa 12.000 Euro entspricht.
Im Sinne von "Pecunia non olet" ist dies aus religionspolitischer Sicht ein hochinteressanter Aspekt.
Es stellt sich daher zwangsläufig die folgende Frage: Sollte ein Arzt / eine Ärztin aus ethischen und Gewissensgründen im Notfall einem/einer Zeugen/Zeugin Jehovas mit Blutkonserven zwar gegen das Menschenrecht (im Sinne dieses Urteils) handeln, aber das Menschenleben retten, kann in Hinkunft nach diesem religionspolitischen Aspekt mit 12.000 Euro ein Rechtsstreit / Prozess abgewendet werden?
Diese Vorgangsweise würde die Arbeit von AnästhesistInnen und IntensivmedizinerInnen extrem erleichtern, denn: Ich persönlich habe (zusammen mit etwa 20 weiteren KollegInnen) im AKH Wien einen überaus aufwändigen und zeitraubenden Rechtsstreit erst nach vielen Jahren abschließen (Einstellung der Strafsache durch die Staatsanwaltschaft Wien am 23.3.2018) und damit letztlich abwenden können, als ganz im Sinne eines Zeugen Jehovas diesem keine Blutkonserven verabreicht wurden und folglich der Zeuge Jehovas im AKH Wien verstarb.
Wenn ÄrztInnen im Notfall Zeugen Jehovas Blutkonserven verabreichen oder auch nicht - die Reaktion von Zeugen Jehovas ist ganz offensichtlich unvorhersehbar und deren notfallmedizinische Behandlung daher aus rechtsmedizinischer Sicht potentiell gefährlich.
Ich persönlich habe mich daher entschlossen im Notfall Zeugen Jehovas stets Bluttransfusionen zu verabreichen zumal auch das Verblutenlassen mit der ärztlichen Ethik vollkommen unvereinbar ist. Diese eigenmächtigen Heilbehandlung ist zwar strafbar (§110 StGB), aber meiner Überzeugung nach das weitaus geringere Risiko.
Im Übrigen, die Tatsache, dass es strafbar ist einem Zeugen Jehovas im Notfall mit einer Bluttransfusion das Leben zu retten, betachte ich als den größten Fehler in unsererm Rechtsstaat.
Meine persönliche Empfehlung dazu: Lassen Sie sich von Zeugen Jehovas in diesem Punkt nicht beeinflussen, auch wenn Ihnen möglicherweise in diesem Zusammenhang Wahrsagungen ausgesprochen werden - sämtliche Prophezeiungen der Zeugen Jehovas sind bislang nicht eingetreten.